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Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, ETH Zürich
 
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Verkehrstechnische Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und zur Verbesserung des Verkehrsflusses auf Autobahn- und Autostrassenbaustellen

Auftraggeber

UVEK / ASTRA, VSS-Forschungsauftrag 1999/127

Autoren

Prof. P. Spacek
M. Laube
G. Santel

Bezugsquelle

VSS-Sekretariat, Seefeldstr. 9, 8008 Zürich; Tel.: 044 / 269 40 20
Bericht Nr. 1124

Download (PDF 25.9 MB)

Zusammenfassung

Ausgangslage und Auftrag

Bisherige Untersuchungen an Autobahnbaustellen deuten darauf hin, dass die Hauptprobleme der Verkehrssicherheit (Unfallentstehung) im Übergangsbereich zwischen der freien Strecke und der Baustelle liegen. Dieser umfasst den stromaufwärts liegenden Autobahnabschnitt mit entsprechend herabgesetzter Höchstgeschwindigkeit sowie den Überleitungs- bzw. Einengungsbereich. Anders als längs der Baustelle, wo in der Regel gleichmässig gefahren wird, entstehen im Zufahrtsbereich im Zusammenhang mit der notwendigen Geschwindigkeitsanpassung an die signalisierte Tempolimite Inhomogenitäten im Verkehrsablauf. Sie manifestieren sich in einer erhöhten Geschwindigkeitsstreuung und in häufigeren Fahrstreifenwechseln.
Aufgrund dieser Ausgangslage wurde die Forschungsgemeinschaft beauftragt, die wesentlichen Zusammenhänge zwischen den Elementen der baulichen und betrieblichen Ausgestaltung des Übergangsbereichs vor den Baustellen und den Merkmalen des Verkehrsablaufs bei verschiedenen Baustellentypen zu erkennen. Die Auswirkungen auf den Verkehrsablauf und die damit verbundene Verkehrssicherheit sollen abgeschätzt werden. Grundsätze und Empfehlungen für die örtlich zweckmässige Ausgestaltung der Übergangsbereiche vor Baustellen bei verschiedenen Betriebsformen sollen abgeleitet werden.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Gestaltung und die entsprechenden Auswirkungen auf das Fahrverhalten der Fahrzeuglenker im Übergangsbereich vor Baustellen. Dazu wurden verschiedene Versuchsanordnungen untersucht. Die Erhebungen wurden bewusst auf Verkehrszeiten mit kleineren bis mittleren Verkehrsstärken ausgelegt.

Feldversuche und Unfallgeschehen

Bei den Felderhebungen bei Autobahnbaustellen wurden die Auswirkungen auf das Fahrverhalten bei verschiedenen signalisierten Höchstgeschwindigkeiten und bei verschiedenen Leiteinrichtungen vor und im Einleitungsbereich der Baustelle untersucht. Dazu wurden Erhebungen im Bereich von vier Untersuchungsstrecken mit Baustellen, mit insgesamt 16 Versuchsanordnungen durchgeführt. Erhoben wurde das Geschwindigkeitsverhalten und die Fahrstreifenwechselvorgänge in den Baustellenzufahrten sowie das Spurverhalten in den Überleitungen. Insgesamt wurden an den Messquerschnitten der vier Baustellen 32'630 Fahrzeuge erfasst.
Zur Beurteilung der Verkehrssicherheit wurde das Unfallgeschehen von sechs früheren Autobahnbaustellen aus der Schweiz untersucht, sowie die Erkenntnisse aus Unfalluntersuchungen an ausländischen Autobahnbaustellen einbezogen. Bei den vier Untersuchungsstrecken wurden die Merkmale Unfallort (Zuordnung zu den Baustellenabschnitten) und Fahrtrichtung bzw. Fahrbahn, sowie Unfalltyp (Kollisionsentstehung), Unfallbeteiligte (Fahrzeugarten) und Unfallfolgen (Angabe der Verletzungsfolgen und des Sachschadens) ausgewertet und anhand der Vorher-/Nachher- und Mit-/Ohne-Vergleiche analysiert.

Analysen der Messergebnisse

Bei der Beurteilung der Messergebnisse wurden folgende Beschreibungsgrössen des Verkehrsablaufs verwendet:

Bei der Analyse der Einflüsse wurde in einem ersten Schritt geprüft, welche der Veränderungen beim Vergleich einzelner Versuche statistisch signifikant sind. Für signifikante und sicherheitsrelevante Veränderungen wurden in einem zweiten Schritt die möglichen Erklärungen anhand der versuchsbedingten und/oder versuchsunabhängigen Einflüsse gesucht. Dabei wurden auch – soweit möglich und sinnvoll – Vergleiche zwischen den Untersuchungsstrecken angestellt und Ergebnisse aus anderen Untersuchungen einbezogen.

Analysen des Unfallgeschehens

Aus dem Unfallgeschehen ergaben sich zusammenfassend folgende Erkenntnisse:
Die beträchtlichen Unterschiede in der Unfallhäufigkeit zwischen den einzelnen Autobahnbaustellen deuten an, dass mit geeigneten Gestaltungsmassnahmen Sicherheitsverbesserungen grundsätzlich möglich sind. Dies haben Versuchsanordnungen mit verschiedenen Leit- und Trenneinrichtungen sowie die Anordnung von Überwachungsmassnahmen in der vorliegenden Arbeit auch gezeigt.
Baustellen-Innenbereiche ausserhalb von Anschlüssen/Verzweigungen der Betriebsformen 4+0 und 3+1 weisen im Vergleich zum Zustand ohne Baustelle in der Regel keine erhöhte Unfallhäufigkeit auf, wenn die Fahrtrichtungen mittels Baustellenleitschranken baulich getrennt werden. Diese Folgerung trifft für Autobahnabschnitte mit einem DTV von bis zu 50'000 MFz/Tag zu.
Ein erhöhter Handlungsbedarf liegt in der Gestaltung von Ein- und Ausfahrten im Baustellenbereich vor. Sie werden oft mit einer im Vergleich zu den Über- bzw. Rückleitungen auffallend kleineren Sorgfalt eingerichtet und bilden in der Regel eigentliche Unfallschwerpunkte.
Die Überdurchschnittlich häufigen Unfälle bei Dunkelheit erfordern Bemühungen um die Verbesserung der optischen Führung im Baustellenbereich. Diese Forderung bezieht sich auf die Gestaltung der Mittelstreifenüberfahrten, der Baustellen-Innenbereiche sowie der bereits erwähnten Anschlüsse im Baustellenbereich.

Empfehlungen

In der vorliegenden Untersuchung konnten insgesamt 36 Folgerungen abgeleitet werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse lassen sich die nachfolgend zusammengestellten Empfehlungen zur Gestaltung von Autobahnbaustellen abgeben. Sie gelten für Betriebsformen von Baustellen ohne Reduktion der Fahrstreifenzahl.

Signalisation; Tempolimite im Baustellenbereich

Anders als die Tempolimite von 100 km/h wird jene von 80 km/h von den Fahrzeuglenkern bei allen hier untersuchten Betriebsformen sowohl in der Baustellenzufahrt als auch in der Überleitung massiv missachtet. Hinsichtlich des Verzögerungsverhaltens in der Überleitung hat die Tempolimite kein Einfluss, weil die Geschwindigkeitsabnahme bei beiden Tempolimiten grösstenteils vor der Überleitung erfolgt. Durch die Anordnung der Tempolimite von 80 km/h erfolgt auch keine Überproportionale Beeinflussung der sicherheitsrelevanten, schnell fahrenden Fahrzeuge. Umgekehrt bewirkt die Anordnung der Tempolimite von 100 km/h keine sicherheitsrelevante Beeinträchtigungen im Geschwindigkeitsverhalten: Die Geschwindigkeitsverläufe sind in der Regel ausgeglichener als bei Tempolimite von 80 km/h.

Die Anordnung der Tempolimite von 100 km/h bedarf klarer Voraussetzungen. Die wichtigsten sind:

Signalisation; Lage der Geschwindigkeitssignale

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass unabhängig von der Höhe der Tempolimite rund ein Drittel der gesamten Geschwindigkeitsanpassung im Bereich des letzten Geschwindigkeitssignals (ca. 350 m vor der Überleitung) erfolgt. Wesentlich ist dabei, dass anschliessend bis zum Beginn der Überleitung die Geschwindigkeiten in Richtung Baustelle nicht wieder ansteigen. Deshalb ist das zweite Geschwindigkeitssignal auch bei Tempolimite 100 km/h als Wiederholungs- bzw. Bestätigungsanzeige sinnvoll.

Verkehrsüberwachung

Die Verkehrsüberwachung mittels einer stationären Radaranlage hat sich als ein wirksames Hilfsmittel zur Homogenisierung des Verkehrsablaufs im Baustellenbereich erwiesen. Sie führt zu einer frühzeitigeren und gleichmässigeren Geschwindigkeitsanpassung. Insbesondere gelingt es mit der Radarüberwachung die exzessiv erhöhten Fahrgeschwindigkeiten in der Zufahrt deutlich zu reduzieren. Vergleichende Untersuchungen an Baustellen im Kanton Zürich haben gezeigt, dass mit dieser Massnahme auch eine deutliche Verbesserung der Verkehrssicherheit im gesamten Baustellenbereich erreicht wird.

Aufgrund vorliegender Erkenntnisse können zum Einsatz der Radarüberwachung folgende Empfehlungen angegeben werden:

Leiteinrichtungen

Die Überdurchschnittlich häufigen Unfälle bei Dunkelheit erfordern Bemühungen zur Verbesserung der optischen führung im Baustellenbereich. In der vorliegenden Untersuchung hat sich die Zweckmässigkeit von linienförmigen und niedrigen Leiteinrichtungen (Leitschiene mit aufgesetzten Leitbaken im Kleinformat) im Bereich von Überleitungen gezeigt.
Bei der Anordnung mit Leitschienen und niedrigen Baken ergeben sich in der Überleitung homogenere Geschwindigkeitsverläufe in der Zufahrt und eine wesentlich bessere Fahrzeugführung in der Überleitung als bei der Anordnung mit hohen Baken. Diese Unterschiede sind bei Dunkelheit ausgeprägt. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass bei hohen Leitbaken die Linienführung der Überleitung wegen Verdeckungs- und Blendeffekten in Augenhöhe der Fahrzeuglenker nicht immer rechtzeitig eingeschätzt werden kann.

Im Hinblick auf den Baustellenbetrieb nachts wird deshalb empfohlen:

Weitere Massnahmen

Geometrie der Mittelstreifenüberfahrt

Die Messungen haben gezeigt, dass grÖssere Öffnungslängen und Überbreite Fahrstreifen in der Überleitung zu erhÖhten Geschwindigkeiten führen. Bei Öffnungslängen von über 100 m wird eine Tempolimite von 80 km/h auch am Ende der Überleitung von ca. 50 bis 70% aller Fahrer nicht eingehalten. Solche Öffnungslängen sind nur zusammen mit einer Tempolimite von 100 km/h angezeigt. Bei Fahrstreifenbreiten von deutlich mehr als 4.0 m und Fahrraumbreiten zwischen den Leiteinrichtungen von gegen 10.0 m entsteht im Spurverhalten ein Schwimmeffekt. Für eine straffe Spurführung sind Überbreite Fahrstreifen in der Überleitung zu vermeiden.

Physische Richtungstrennung

Die Unfallauswertungen für die Untersuchungsstrecken haben gezeigt, dass Baustellen-Innenbereiche ausserhalb von Anschlüssen/Verzweigungen bei den Betriebsformen 4+0 und 3+1 keine erhöhte Unfallhäufigkeit im Vergleich zum Zustand ohne Baustelle aufweisen. Dabei ist von Bedeutung, dass bei allen untersuchten Baustellen die Fahrtrichtungen mittels Baustellenleitschranken baulich getrennt waren. Diese physische Trennung der Fahrtrichtungen im Baustellen-Innenbereich sollte wenn immer möglich eingerichtet werden.

Fahrstreifenabbau

Die Leistungsfähigkeit im Baustellenbereich wird allein schon infolge der reduzierten Fahrstreifenbreiten und der eingeschränkten seitlichen Hindernisfreiheiten um bis zu 30% vermindert. Wird zudem die Anzahl von Fahrstreifen reduziert, ergeben sich infolge Verkehrsbehinderung entsprechend hohe Zeitverluste und Unfallkosten. Die Unfallauswertungen in dieser Untersuchung haben auch deutlich gezeigt, dass Verkehrsführungen mit Fahrstreifenreduktionen im Baustellenbereich bereits bei mittleren Verkehrsbelastungen zu einer überproportionalen Erhöhung der Unfallhäufigkeit führen.

Ein-/Ausfahrten

Ein erhöhter Handlungsbedarf liegt in der Gestaltung der Ein- und Ausfahrten im Baustellenbereich vor. Sie werden oft mit einer im Vergleich zu den Über- bzw. Rückleitungen auffallend kleineren Sorgfalt eingerichtet und bilden in der Regel eigentliche Unfallschwerpunkte.

Normung

Die Analyse der bestehenden VSS-Normen für Einrichtung und Betrieb von Baustellen an Hochleistungsstrassen ergab mehrere Mängel. Im Zusammenhang mit den empfohlenen Verbesserungen wird auch angeregt, den Normungskonzept zu überdenken. Für diese Neukonzeption sprechen auch die in dieser Arbeit vorgeschlagenen Zusatzuntersuchungen zu den Problemschwerpunkten "Ein- und Ausfahrten im Baustellen-Innenbereich" und "Tagesbaustellen".

 

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